Predigt zum 24. Januar 2021

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.


Liebe Gemeinde, liebe Leserinnen und Leser,
der Feiertag am 6. Januar steht dafür gut, dass Fremde (in diesem Fall die drei

Weisen) zur Krippe kommen. Diesem Thema, dass eben auch Menschen von
außen den Weg zu Gott finden, sind auch die Sonntag nach dem 6. Januar
verpflichtet. So wird dieser Gedanke auch im heutigen Predigttext
aufgenommen. Er stammt aus dem Buch „Rut“ im Alten Testament und ist die
Geschichte von drei Frauen. Ich zitiere den Text in meiner Predigt. Dieser
Predigttext ist ganz neu in die Predigtordnung aufgenommen worden und ich
habe also noch nie ausführlich über diese Geschichte nachgedacht. Lesen Sie
daher selbst, ob etwas für Sie Brauchbares daraus geworden ist.

Wach auf du Geist

Lied EG 562; 3.4

Gebet:
Wir danken dir, gnädiger Gott für diesen Tag, für das Wort, mit dem du uns
stärkst, für die Gemeinde der Glaubenden, die – zwar getrennt – dennoch deinen
Namen preist, für jeden treuen Zeugen, der uns dich loben hilft. Schließe unsere
Herzen auf und lass uns von deinem Geist berührt und erfüllt werden. Mache
uns zu Boten deiner Liebe, damit unser brüchiges Leben etwas werde und dann
auch bleibe zu deinem Lob. Amen.

 

Liebe Gemeinde,

in unserem Leben gehen wir durch viele Türen. Jeden Tag und das immer mit ganz unterschiedlichen Gefühlen. Durch die Türe des Arbeitsamtes gehen wir mit anderen Gefühlen, als abends durch die Haustüre. Auch in übertragenem Sinne gehen wir durch viele Türen. Manche bleiben uns sogar für immer im Gedächtnis. Ich denke z. B. an Situationen, in denen mir etwas besonders gut gelungen ist und sich mir eine Türe öffnete, beruflich oder privat. Es soll auch vorkommen, dass ein Mensch dem anderen seine Herzenstüre öffnet und sich nicht nur eine tiefe Freundschaft auftut, sondern vielleicht sogar eine Liebesbeziehung fürs Leben. Die gegenteilige Erfahrung ist uns allen aber auch nicht fremd, dass Türen zum Nächsten sich nicht mehr öffnen lassen, für immer geschlossen bleiben, oder dass der geplante Lebensweg in die Zukunft aus irgendeinem Grund versperrt ist. Seit März vergangenen Jahres haben wir alle auch ganz konkrete Erfahrungen mit verschlossenen Türen. Und wieder im übertragenen Sinne: vielleicht machten wir auch die Erfahrung, dass dort, wo sich eine Türe schließt, sich eine andere öffnet, die wir möglicherweise zuvor gar nicht wahrgenommen haben – die Liebe findet immer noch eine Türe, die der Ehrgeiz niemals erkennt. Von Rut wird uns eine ganz ähnliche Erfahrung berichtet. Dieser Rut und ihren Erlebnissen ist in der Bibel ein ganzes Buch mit 4 Kapitel gewidmet. Schon der Anfang ist ziemlich dramatisch: „Zu der Zeit, als die Richter in Israel regierten, verließ ein Mann aus Bethlehem in Juda das Land, weil eine Hungernot ausgebrochen war.“

Mitten in der Hungersnot gibt es eine kleine Familie – Elimelch und Noomi und ihre beiden Söhne Machlon und Kilion –, die wegen der Gefahr des Verhungerns Bethlehem verlassen und ostwärts ins Land Moab sich durchschlagen. Nun war leider das Verhältnis von Moab und Israel äußerst problematisch. Man hatte Angst voreinander und grenzte sich ab. Andere Götter hatten die von Moab sowieso. Man war sich trotz räumlicher Nähe fremd geblieben, wie das halt so ist, wenn man unter dem Einfluss eines Feindbildes steht. Aber es war damals schon so, dass auf der Ebene „von Mensch zu Mensch“ mehr möglich ist, als die offizielle Politik es propagiert. So gab es auch damals in Moab schon Menschen, welche die jüdische Flüchtlingsfamilie aufnahmen, und sie heimisch werden ließ. So ist das halt mit den Vorurteilen, sie taugen nichts. Die Vier wurden sogar so sehr heimisch, dass – als die Zeit gekommen war – die beiden Söhne zwei moabitsche Mädchen heirateten: Rut und Orpa. Doch leider war das Glück von nur kurzer Dauer. Elimelch, Noomis Mann, wird krank und stirbt. Das ist natürlich ein schwerer Schlag für Noomi. Ein wenig Halt erfährt sie durch ihre beiden Söhne – auch wenn diese selbst schon verheiratet sind, sind sie doch so etwas wie ein Stück Heimat für Noomi in der Fremde. Doch die Namen der beiden Söhne: Machlon = „Schwächlich“ und Kilion = „Gebrechlich“ lassen das Verhängnis ahnen. Auch die beiden sterben innerhalb kurzer Zeit. Nun hält Noomi nichts mehr. Aus dem Land der Zuflucht und des Überlebens ist ihr ein Land des Todes geworden. Hier will sie nicht mehr blieben. Da ist jedoch nicht nur die Versorgungsfrage: „Wer kümmert sich um alt- und krank gewordene Ausländer?“, auch die Sehnsucht nach Vertrautem treibt sie zurück nach Bethlehem. Dort, so hat es sich herumgesprochen, gibt es längst wieder Brot. Das ist die Andeutung einer winzigen offenen Tür. Die Schwiegertöchter, Orpa und Rut, beide auch Witwen, schließen sich ihr an. Doch als sie sich auf den Weg machen, hält Noomi inne und sagt zu den beiden jungen Frauen: „Geht lieber zurück nach Hause zu euren Müttern. Der Herr vergelte euch eure Liebe, die ihr euren verstorbenen Männern und auch mir entgegengebracht habt. Er schenke jeder von euch ein neues ruhiges Zuhause in einer zweiten Ehe.“ Nach dieser kleinen Rede gibt sie ihren Schwiegertöchtern einen Kuss und alle drei weinen. Es ist eine herzzerreißende Szene. Noomi hat nichts mehr, was sie ihren Schwiegertöchtern geben könnten. Sie kann ihnen nichts weiter schenken, als die Befreiung von der Bürde, für sie sorgen zu müssen. Erstaunlicherweise weigern sich die Schwiegertöchter, Noomi zu gehorchen. Erst als Noomi ihre Aufforderung wiederholt, die drei Frauen nochmals in lautes Weinen ausbrechen, kehrt Orpa um und geht zurück. Rut jedoch besteht darauf, bei Noomi zu bleiben. Zwei Schwiegertöchter und zwei Türen: Auf der einen steht „bleiben“ und auf der anderen „gehen“. Und es wird ohne Bewertung, ohne ein Urteil zu fällen, festgestellt: Orpa bliebt – Rut geht mit. Vier Mal in diesem kurzen Abschnitt sagt Noomi zur Rut: „Kehr um“. Rut muss sich entscheiden, welche Türe sie wählt. Ihr ganzes weiteres Leben wird davon abhängen. Und von dieser jungen Frau kommt nun eine der größten Liebesbeweise der ganzen Bibel, wenn nicht sogar der gesamten Menschheitsliteratur. Manchen Eheleuten wird dieser Liebesbeweis bekannt vorkommen. Sie finden in den Worten von Rut ihre eigene Liebesbeziehung trefflich ausgedrückt. Sie verstehen ihre Liebe so unbedingt, wie Rut. Denn Rut sagt: „Wo du hingehst, dort will ich auch hingehen, und wo du lebst, da möchte ich auch leben. Dein Volk ist mein Volk und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da will ich auch begraben werden.“ Diese Worte sind nicht nur Ausdruck tiefster Verbundenheit mit der Schwiegermutter, sondern zeigen auch Ruts Hinwendung zu dem Gott Israels. Zu dem Gott, mit dem sie als Frau aus dem Land Moab gar keine Erfahrung hat. Ausgerechnet nach so vielen schweren Schicksalsschlägen bekennt sei sich zu Gott. Da, wo andere jeden Gott in Frage stellen würden, macht sie sich an einem ihr eigentlich fremden Gott fest. Es kann aber auch sein, dass Ruts Bekenntnis zu Noomis Gott zunächst nur durch die Liebe zu Noomi motiviert ist und sich erst später mit eigener Erfahrung füllt. Auf alle Fälle bewirkt ihre Liebe zu ihrer Schwiegermutter Noomi, dass eine zum Vergehen verurteilte jüdische Familie nicht ausstirbt.

Rut ahnt nicht, dass ihre Entscheidung, eine Tür öffnen wird, die es ihr ermöglicht, in einer ganz großen Geschichte mitzuspielen. An ihren Namen wird man sich noch Jahrtausende später erinnern. Rut macht – in Israel angekommen – die Erfahrung, dass Gott ein Herz für alle Fremden hat. In Boas begegnet sie einem Mann, der freundlich mit ihr und Noomi umgeht und den beiden Frauen zu Essen gibt. In der ganzen Geschichte von Rut bieten sich also immer wieder Möglichkeiten, freundlich mit jemanden umzugehen, der „fremd“ ist – also über die Grenzen dessen hinweg, was die betreffenden Personen normalerweise voneinander trennen würde. Dabei beginnen sie, einander in einem neuen Licht zu sehen. Türen öffnen sich, wenn ich tatsächlich Menschen wahrnehme, die ich vielleicht andernfalls übersehen würde. Die Geschichte geht dann so weiter – wie könnte es anders sein – dass Boas und Rut ein Paar und dann auch Eltern des Sohnes Obed werden. Doch damit ist die Geschichte immer noch nicht zu Ende. Die letzten Worte im Buch Rut lauten: „Isai war der Vater von David“. Eine Moabiterin also, eine Heidin, ist die Urgroßmutter des berühmten Königs David. Doch damit ist die Geschichte immer noch nicht zu Ende. Aus dem Geschlecht Davids kommt schließlich der verheißene Messias Jesus Christus. Und so kommt Rut, jene Angehörige eines israelfeindlichen Volkes folgerichtig auch im Stammbaum Jesu vor. Ruts Geschichte wird zur Geschichte Jesu. Und damit öffnet sich für alle eine Türe ganz weit. Amen.

In Christus gilt nicht

Lied EG 597, 1.4

 

 

 

Gebet:
Herr Jesus Christus, Heiland der Welt und meines Lebens: dein Wort ist tief in
uns hineingefallen und bleibt uns, wenn wir wieder der Welt mit ihren Fragen
und Ängsten, mit ihren Hoffnungen und Aufgaben begegnen. Wir bitten dich um
die heilende Kraft für unsere Kranken, unsere Angeschlagenen, für unsere
Arbeitslosen und für die Fremden unter uns, für die Getrennten und für die
Sterbenden. Und wir reihen uns selbst ein in die Zahl derer, die dir vertrauen,
deinen Beistand nötig haben und die deiner Liebe und Fürsorge bedürfen. Das
geknickte Rohr wirst du nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wirst du
nicht auslösen. Das ist unsere ungebrochene Zuversicht. Amen.

Vaterunser

Lied EG 241, 8




Segen
Der Herr segne euch und behüte euch.
Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig.
Der Herr erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch Frieden
Amen.